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Weihnachten nach Hause

Ein Beitrag von früher

Gaeltacht

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Bilder:

Foto von Alistair MacLeod 2012
Autor: Graham Iddon (CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0), via Wikimedia Commons)
Cape Breton Island
Karte: Geo Swan (CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0), via Wikimedia Commons)
Kap-Breton-Insel (und Umgebung)
Karte: Klaus M. (Mikmaq) (CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5), via Wikimedia Commons)
Erstellt: 3. Januar 2007
Kap-Breton-Insel, Neuschottland
Karte: Aconcagua (CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0), via Wikimedia Commons)
Erstellt: 7. August 2005

 

Arm aber glücklich

Ich lese Linard Candreias neulich erschienenes zweisprachiges Buch Hanna la Tirolra oder Hanna die Südtirolerin [s. Link]. Es geht um die Lebensgeschichte seiner Mutter, die aus dem Vinschgau stammte, jedoch ins romanische Bündnerland einheiratete und dort eine Familie gründete.

In den Kapiteln dieses Buches lesen wir vom harten Leben auf dem Lande damals. Die Menschen waren alle arm. Es gab Kinderarbeit, aus lauter wirtschaftlicher Not. Die Menschen aber gehörten zu ihrem Dorf und fühlten sich dort geborgen. Das ist so ein locus communis in Büchern von regionalem Interesse: „Wir waren arm, doch wir waren glücklich.“

Die Südtiroler hatten es allerdings nicht nur wirtschaftlich schwer, sondern auch politisch, als sie unter Mussolini leben mussten. Und als Hitler das Territorium 1943 zur „Operationszone Alpenvorland“ machte, wurde alles noch schlimmer. Auch in der Nachkriegszeit wurde das Leben nicht viel besser. Das harte Leben mit dem täglichen Existenzkampf ging weiter bis in die Fünfzigerjahre. Das ist für mich, der ich in den Fünfzigerjahren geboren wurde, kaum vorstellbar. Ich aber wurde in einer Stadt geboren und nicht in einer abgelegenen ländlichen Talschaft.

Ich habe schon über die Gaeltachtaí geschrieben, diese charakteristischen, ja unverwechselbaren Landschaften, wo die Menschen tief verwurzelt sind, ein Gefühl von Heimat, eine ausgeprägte regionale Identität, eine eigene Kultur, ja vielleicht eine eigene Sprache bzw. Mundart haben, die das alles schön ausdrückt. Diese Gaeltachtaí kenne ich von Irland, vom Bündnerland, aus Alistair MacLeods Büchern über Cape Breton in Kanada.

Manche von uns lieben diese Orte und verbringen dort gerne ihre Ferien. Auch ich verweile lieber in so einer Landschaft als in einer anonymen Millionenstadt. Aber die Welt verändert sich unaufhaltsam. Für solche Landschaften und ihre Bewohner gibt es in unserer sich homogenisierenden Welt immer weniger Platz. Es ist schwierig, sie am Leben zu erhalten. Es müssen staatliche Subventionen her. „Capuns, maluns, e subvenziuns“ witzeln bei uns die Romanen mit Bezug auf ihre typischen Gerichte und das Geld aus Bern. Eine neoliberale Denkfabrik wie Avenir Suisse verlangt das Ende der Subventionen an Randgebiete: Alle ab in die Städte, heißt es, lassen wir die Alpen zu einem einzigen Nationalpark verwildern.

Die charakteristischen Randregionen überleben eigentlich nur noch, weil sie vom Wohlstand der Städte subventioniert werden. Wie war das früher? Candreias Buch lesend sehe ich ein, dass die Bewohner ihre Region mit ihrer eigenen Armut subventionierten. Wenn sie diese Armut nicht erduldet hätten, wäre alles schnell auseinandergefallen. Und das taten sie über Jahrhunderte. Schon damals zogen viele weg in die Städte. Dass fast alle jungen Leute dann weg müssen, ist eine neuere Entwicklung. Ich kenne ein romanisches Gedicht, in dem ein Bergbauer über seinen Hof nachdenkt, aber auch über die Tatsache, dass er seine Kinder für die Grossstadt erzieht. Dann ist da noch das Stadium der Zweitwohnungen: Die jungen Menschen ziehen alle fort, die Alten sterben allmählich weg, und die leeren Häuser werden schliesslich von Städtern aufgekauft.

Tragödie (Regionalisten) oder „natürliche Entwicklung“ (Avenir Suisse, Rewilding Europe) – den langsamen Untergang der charakteristischen ländlichen Regionen können wir nicht leugnen. Wenn nur die Informationswirtschaft, die der Industriewirtschaft gefolgt ist, ein anderes Entwicklungsmodell zu bieten hätte als jenes der Verstädterung …